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Klassik-Blog 2

Glass meets Bowie

Philip Glass (*1937)

Sinfonie Nr. 4 (Heroes Symphony)

komponiert 1996, Uraufführung in der Albert Festival Hall London


Erst im Alter von 55 Jahren veröffentlichte Philip Glass seine erste Sinfonie. Lang hatte er einen Bogen um diese Gattung gemacht. Erst einmal auf den Geschmack gekommen folgte, wie für Glass typisch, eine ganze Serie der gleichen Gattung, wobei seine Sinfonie Nr. 4 sicher ein Höhepunkt dieser Schaffensperiode ist. Die Vierte ist ein Werk, das vom legendären Konzeptalbum Heroes der Musiker David Bowie und Brian Eno inspiriert ist und mit dem ersten Satz auch gleich den Titelsong aufgreift. Darin geht es um die Story zweier Liebenden, die im Schatten der Berliner Mauer zusammenkommen. „Wir können Helden sein, nur für einen Tag“ lautet sicher die berühmteste Zeile im Original.

 

Von seiner Inspirationsquelle, dem Konzeptalbum „Heroes“ das David Bowie gemeinsam mit Brian Eno im Jahr 1977 veröffentlichte, adaptierte Philip Glass nur einige Songtitel für seine Sinfonie. Dabei ging es ihm keineswegs um eine simple Orchestrierung eines berühmten Pop-Albums.

Glass wollte ein Werk schaffen, mit dem das Original reflektiert und vom Orchester vielstimmig überhöht wird. David Bowie und Brian Eno hatten „Heroes“ im geteilten Berlin in den Hansa-Tonstudios unmittelbar hinter der Mauer produziert. Doch über diesen Rahmen hinaus kommen in der 4. Sinfonie von Glass auch andere Aspekte zum Tragen. Den zweiten Satz hat er ganz offensichtlich der Ehefrau David Bowies gewidmet und mit ihrem Namen überschrieben. Iman Abdulmajid stammt aus Somalia, hat eine ebenso schillernde wie faszinierende Karriere als Model und Filmschauspielerin absolviert, kann aber in ihr vom Bürgerkrieg zerrüttetes Heimatland zeitlebens wohl nie mehr zurückkehren.

Der letzte Satz trägt den Titel „V2 Schneider“ und ist eine turbo-aufgeladene Hommage an Florian Schneider von der Band Kraftwerk.

 

Was fasziniert Philip Glass, den amerikanischen Vater der Minimal Music an dem britischen Pop-Exzentriker David Bowie? Bowie sei ein Diamant gewesen, erklärte Philip Glass gerade in einem Interview. Er habe unendlich viele, schillernde Gesichter gehabt, die alle gleichermaßen authentisch gewesen seien. Und sofort kommen einem die facettenreich pulsierenden Klangflächen in den Sinn, die typisch sind für Glass' Musik. Glass verfügt über die Gabe, eine musikalische Stimmung von den ersten Klängen an präzise zu treffen. Und genau so rasch wie er eine Atmosphäre erzeugt, kann er sie in eine ganz andere umschlagen lassen, wechselhaft wie das englische Wetter.

Bowie und Glass kannten sich seit den frühen Siebzigerjahren, sie hatten sich in der Peppermint Lounge in New York getroffen. Damals war Bowie bereits ein Star, während Glass noch als Taxi-Fahrer jobbte. Bowie und der britische Musiker und Musikproduzent Brian Eno hatten schon 1971 eines der Konzerte besucht, die Glass mit seinem Ensemble im Londoner Royal College of Art gegeben hatte. Während man hierzulande noch darauf bedacht war, die Sphären der hohen und der vermeintlich niederen Kunst fein säuberlich auseinander zu halten, schaute man einander in Amerika längst über die Schulter.

 

Als die "Heroes"-Symphony uraufgeführt wurde, fassten Kritiker, die etwas auf sich hielten, die vermeintlich weichgespülte Tranquilizer-Ästhetik dieser Musik nur mit spitzen Fingern an. Heute, in Zeiten des grassierenden seichten Cross-Overs, lernt man die künstlerische Aufrichtigkeit eines Philip Glass zu schätzen.


Philip Glass wurde in Baltimore geboren und gilt neben Steve Reich zu den wichtigsten Pionieren der Minimal Music.

In Paris begegnete Glass 1965 dem indischen Komponisten und Sitarspieler Ravi Shankar. So kam er zum ersten Mal mit indischer Musik und Denktradition in Berührung. Vor allem das asiatische Rhythmus- und Zeitverständnis beeindruckten ihn zutiefst. Seine Musik entwickelt Strukturen von sich ständig wiederholenden Tonfolgen. Anklänge an die indische Musik sind unüberhörbar. Mit Stücken, die immer länger und ereignisloser werden, zwingt er die Zuhörer, auf kleinste harmonische und rhythmische Veränderungen zu achten.

 

Das Werk von Glass umfasst zahlreiche Opern und Musiktheaterwerke, zwölf Symphonien, elf Konzerte, acht Streichquartette und verschiedene andere Kammermusik- und Filmmusikkompositionen. Drei seiner Filmkompositionen wurden für einen Oscar nominiert.



Quellenangaben:

https://www.deutschlandfunk.de/sinfonische-musik-von-helden-inspirierter-philip-glass.727.de.html?dram:article_id=300071

https://de.wikipedia.org/wiki/Philip_Glass

https://www.sueddeutsche.de/kultur/musik-ernste-unterhaltung-1.4440908

http://www.klassik-heute.de/4daction/www_interpret?id=21301


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